Erbrechen: körpereigener Schutzmechanismus
Erbrechen ist ein komplexer physiologischer Vorgang. Dieser basiert auf willkürlichen und unwillkürlichen Komponenten.
Dabei werden im Brechzentrum die reflektorischen (durch einen Reflex ausgelösten) Vorgänge koordiniert.(1)
Das eigentliche Erbrechen ist ein Schutzfaktor, über den der Körper versucht, sich selbst zu helfen und etwas Schädliches loszuwerden.(2)
Physiologische Rahmendaten
Vor dem Erbrechen leiden Betroffene häufig unter Übelkeit. Die Entscheidung, wann das Übergeben beginnt, passiert im Gehirn bzw. im Gehirnstamm. Dort werden Brechsignale, die häufig vom Verdauungstrakt kommen, empfangen und der Brechakt koordiniert.
Die Brechsignale können beispielsweise ein erhöhter Druck in der Magengegend oder im Darm, Reizungen in Folge von Entzündungen oder Alkoholkonsum sein.
Der Brechalarm kann auch direkt im Gehirn entstehen oder auf Signalen des Gleichgewichtssinns basieren. In diesem Zusammenhang sind Verbindungen zwischen dem Brechzentrum und Hirnarealen des Bewusstseins und Unbewusstsein, des Verstandes und der Gefühle zu nennen.
Rezeptoren im Hirnstamm reagieren auf bestimmte Signalstoffe – beispielsweise auf Serotonin.(2)
Folgende Rezeptoren sind in die Entstehung des Brechreizes involviert: Dopamin-Typ-2-Rezeptoren, Histamin-Typ-1-Rezeptoren, 5-HT3-Rezeptoren und muskarinerge Acetylcholinrezeptoren.
Über eine Stimulation der 5-HT3-Rezeptoren wird das Hormon Dopamin freigesetzt, welches die Dopamin-2-Rezeptoren im Brechzentrum aktiviert.(1)
Das Brechzentrum stimmt sich mit Hirnarealen ab, in denen Atmung, Gleichgewicht und Kreislauf koordiniert werden. Zusätzlich ist auch das parasympathische Nervensystem beteiligt. Über diese Interaktionen erklären sich auch die vor dem Erbrechen auftretenden Symptome wie Blässe, ein erhöhter Speichelfluss und Schwindel.
Der Ablauf ist präzise aufeinander abgestimmt. Auf der einen Seite kommt es zu intensiven Bewegungen des Zwerchfells, der Atem- und Bauchmuskeln, die dem Brechakt vorausgehen und ihn stimulieren. Dadurch wird eine Druckwelle induziert, die den oberen Darmbereich aktiviert und anschließend den überwiegend passiven Magen erreicht.
In Folge wird der Mageninhalt – inklusive Unterstützung der Speiseröhre – nach draußen befördert.
Auf der anderen Seite setzt die Atmung aus, um zu verhindern, dass der hochgewürgte Nahrungsbrei in die oberen Atemwege gelangt. Dies erfolgt über einen blitzartigen Verschluss der Luftröhre und des Nasenrachenraumes.(2)
Diagnose – Die Ursache erkennen
Um die Ursache von Übelkeit und Erbrechen abzuklären, bedarf es einer strukturierten Anamnese und klinischen Untersuchungen.
Bei Frauen im gebärfähigen Alter zählt ein Schwangerschaftstest zur Basisdiagnostik. Darüber hinaus wird nach Begleitsymptomen, der Dauer und dem Zeitpunkt des Auftretens der Beschwerden und nach der Beschaffenheit des Erbrochenen gefragt.
Gleiches gilt für eine mögliche Medikation, Vorerkrankungen, die soziale Anamnese sowie ein Alkohol- und Drogenkonsum.
Dabei liegt ein Fokus auf der Dauer und dem Zeitpunkt der Beschwerden. Während bei akuten Beschwerden metabolische, infektiöse oder medikamentös-toxische Ursachen charakteristisch sind, ist eine chronische Symptomatik häufig Folge einer Schwangerschaft, von Migräne oder einer Gastroparese (Motilitätsstörung des Magens).
Morgendliches Erbrechen wird mit Alkoholmissbrauch, Urämie, einer Schwangerschaft oder einem erhöhten intrakraniellen Druck (Hirndruck) assoziiert.
Im Rahmen der loborchemischen Diagnose werden das Blutbild und Parameter wie Kreatinin, Elektrolyte und Blutglucose unter die Lupe genommen.(1)
Therapiemöglichkeiten von Erbrechen
Die Therapie richtet sich nach der Ursache.
Teilweise reicht eine Ernährungsumstellung auf leichte Kost, die auf mehrere Mahlzeiten verteilt wird. Auch eine vorübergehende Nahrungskarenz und der Verzicht auf Genussmittel können hilfreich sein.
In schwierigen Fällen können medizinische Maßnahmen oder Notfallbehandlungen notwendig werden.
Bei leichten Flüssigkeitsverlusten werden Trinklösungen im Zucker-Elektrolyt-Mix gegeben.
Bei leichter Übelkeit können auch Zubereitungen mit Ingwer und homöopathische Mittel helfen.
Bei intensivem Erbrechen müssen Flüssigkeit und Salze gegeben werden, um eine Austrocknung zu vermeiden.(2)
Bei einer leichten Gastroenteritis ist verdünnter Apfelsaft – zur Verhinderung einer oralen Dehydrierung – erfolgsversprechender als Elektrolytlösungen.(3)
Medikamentöse Therapie bei Erbrechen
Die Interaktion mit den Rezeptoren im Hirnstamm macht nachvollziehbar, warum gegen Erbrechen beispielsweise Medikamente wie Serotoninrezeptorantagonisten (Serotonin-Gegenspieler) eingesetzt werden.(2)
Während die kausale Therapie von der Grunderkrankung abhängt, kann die Symptomatik sofort eingeleitet werden. Dabei sollte es sich um ein Medikament handeln, welches eine rezeptorspezifische Substanz darstellt.
5-HT3-Rezeptorantagonisten wie Dolasetron, Granisetron, Ondansetron und Tropisetron wirken beispielswiese hochselektiv und kompetetiv auf 5-HT3-Rezeptoren und sind insbesondere bei zytostatikainduzierter Übelkeit (in Folge einer Chemotherapie) und Erbrechen angezeigt.
Zu den häufigsten Antiemetika zählen Antihistaminika, Anticholinergika, Dopamin-Rezeptorantagonisten, Neuroleptika, 5-HT3-Rezeptorantagonisten und der Neurokinin-1-Rezeptor-Antagonist Aprepitant.(1)
Therapeutisches Erbrechen im Ayurveda
Das als Vamana bezeichnete Erbrechen soll laut Ayurveda Abhilfe bei einem Kapha-Überschuss schaffen. Letzterer soll zu gesundheitlichen Beschwerden wie Bronchial-Asthma, einer chronischen Bronchitis oder einem Lungenstau – als Folge von Anhäufungen von Schleim in der Lunge – führen. Darüber hinaus kann Vamana auch bei Hauterkrankungen, psychischen Problemen und bei Wassereinlagerungen sinnvoll sein.
Das therapeutische Erbrechen findet im Rahmen des ayurvedischen Therapiekonzeptes Panchakarma statt, welches Stoffwechselschlacken herausleiten soll.
Vor dem therapeutischen Erbrechen werden bereits ein paar Tage vorher Öle und Ghees – in Abhängigkeit der jeweiligen Konstitution – verabreicht, bis der Stuhl eine ölige Konsistenz aufweist.
Der Brechreiz wird morgens durch Reiben und Drücken der Zunge ausgelöst und durch die Gabe von Süßholztee, Salzwasser und weiteren Substanzen erleichtert. Dabei werden häufig auch emotionale Blockaden gelöst. Anschließend wird bis abends – unter Berücksichtigung einer Ruhephase – gefastet.(4)
Quellenverzeichnis
1. Ärztezeitung: Übelkeit und Erbrechen: Das Medikament der Wahl sollte eine rezeptorspezifische Substanz sein, https://www.aerztezeitung.de/medizin/krankheiten/magen_darm/article/556411/medikament-wahl-sollte-rezeptorspezifische-substanz.html, abgerufen am 17. Mai 2017.
2. Apotheken Umschau: Übelkeit, Erbrechen, https://www.apotheken-umschau.de/uebelkeit-erbrechen, abgerufen am 17. Mai 2017.
3. Ärztezeitung: Gastroenteritis: Verdünnter Apfelsaft statt Elekrolyte für kranke Kinder!, https://www.aerztezeitung.de/medizin/krankheiten/magen_darm/article/913861/gastroenteritis-verduennter-apfelsaft-statt-elektrolyte-kranke-kinder.html?sh=4&h=-981794503, abgerufen am 17. Mai 2017.
4. Euroved: Panchakarma (II): Vamana – therapeutisches Erbrechen, https://www.euroved.com/magazin/panchakarma-ii-vamana-therapeutisches-erbrechen/, abgerufen am 01. Juni 2017.